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Zwischen den Zeilen #223: Wann es sich lohnt, persönliche Risiken einzugehen

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Zwischen den Zeilen

Vieles von dem, worüber ich schreibe, findet „zwischen den Zeilen" statt; nicht nur in den offensichtlichen Aussagen, sondern im Nachdenken, Reflektieren und Weiterdenken. In Zitaten, die hängen bleiben. In Gesprächen, die nachklingen. In Gedanken, die auftauchen und im Kopf bleiben.Auch der Slogan bringt das auf den Punkt: „Neue Perspektiven für Menschen mit Zielen.“ Denn darum geht’s mir Woche für Woche: Impulse geben. Denkanstöße liefern. Mut machen, anders zu denken und neue Wege zu gehen.

Andreas Hobi

Neue Perspektiven
für Menschen mit Zielen


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In dieser Ausgabe:

  • 📟 Weshalb dieses Mal eben doch nicht alles anders ist
  • ⚠️ Wann es sich lohnt, persönliche Risiken einzugehen
  • 🙇🏻 Weshalb der berühmte Marshmallow-Test widerlegt wurde

Mein Lesetipp der Woche

Ende des 19. Jahrhunderts tauchten in amerikanischen Städten die ersten Autos auf. Und was passierte? Man verbot sie. Nicht, weil sie laut, gefährlich oder unpraktisch waren, sondern weil sie die Daseinsberechtigung der Pferde bedrohten. Die Washington Post zitierte damals offen die Sorge, dass das Pferd nicht weiter verdrängt werden dürfe.

Heute wirkt das absurd. Autos haben eine neue Welt eröffnet. Aber aus der damaligen Perspektive fühlte sich das Auto wie eine Bedrohung an. Für Jobs. Für Gewohnheiten. Für das, was man kannte.

Ein paar Jahrzehnte später, 1929, wiederholte sich das Muster. Kinos begannen, Musik vom Band abzuspielen, statt Live-Musiker zu beschäftigen. Die Musikergewerkschaft war empört. Der Tonfilm, ausgelöst durch den Film The Jazz Singer, wurde als Angriff auf echte Kunst und echte Arbeit gesehen. Auch hier ging es nicht primär um Qualität. Es ging um Verlustangst.

Und dann im Jahr 1946: Der Mitbegründer des Filmstudios 20th Century Fox war überzeugt, dass Fernsehen keine Zukunft habe. Niemand werde es lange aushalten, jeden Abend auf eine kleine Kiste zu starren. Sechs Monate, dann sei der Hype vorbei.

Wir wissen heute: Fernsehen wurde eines der prägendsten Medien des 20. Jahrhunderts. Und heute starren wir auf noch viel kleinere Bildschirme.

Drei Geschichten. Drei Epochen. Immer das gleiche Muster.

Neue Technologien werden anfangs fast nie als Chance gesehen. Sie werden als Störung wahrgenommen. Als etwas, das bedroht, was man kennt, beherrscht oder kontrolliert. Unser Gehirn ist darauf programmiert, Bestehendes zu schützen. Veränderung bedeutet Unsicherheit. Und Unsicherheit fühlt sich gefährlich an, selbst dann, wenn sie objektiv Chancen bietet.

Das Spannende ist: Die Geschichte wird im Nachhinein immer aus einer anderen Perspektive erzählt. Nicht als Geschichte der Angst, sondern als Geschichte des Fortschritts. Niemand erinnert sich an das Auto als „Pferdebedrohung“. Niemand denkt beim Fernsehen an eine gescheiterte Idee. Die Skepsis verschwindet rückblickend. Sie wirkt peinlich, kleinkariert oder naiv.

Und deshalb lohnt sich die Frage: Wo reagieren wir heute genauso?

Auch heute hören wir oft dieselben Argumente:

  • „Das nimmt Jobs weg.“
  • „Das ist unnatürlich.“
  • „Das wird sich nicht durchsetzen.“

Vielleicht stimmt manches davon kurzfristig. Langfristig zeigt die Geschichte etwas anderes: Veränderung verschiebt Arbeit. Sie löscht sie selten einfach aus. Sie belohnt Anpassungsfähigkeit mehr als Status quo-Denken.

Die unbequemste Erkenntnis dabei ist:
Die größte Gefahr ist nicht die neue Technologie.
Die größte Gefahr ist, so zu tun, als würde sie wieder verschwinden.

Mich interessiert, wie Du das siehst.
Wo erlebst Du gerade Veränderung als Bedrohung – oder als Chance?
Wo stimmst Du mir zu? Und wo sagst Du: „Nein, dieses Mal ist es anders“?

Schreib mir, indem Du einfach auf diese E-Mail antwortest. Ich freue mich auf Deine Gedanken und Erfahrungen.

Mein Denkanstoß der Woche

Die meisten von uns denken beim Thema „persönliches Risiko“ sofort an das Schlimmste: Ablehnung. Verlust. Scheitern. Peinliche Momente. Geld, das weg ist. Zeit, die „verschwendet“ wurde.

Und deshalb entscheiden wir uns oft für die sichere Variante. Für den kleineren Schritt. Für das Bekannte. Für „lieber nichts falsch machen“.

Das Problem: Die besten Risiken im Leben funktionieren anders. Die besten Risiken sind jene, bei denen
1) das schlimmste realistische Ergebnis verkraftbar ist und
2) das bestmögliche Ergebnis Dein Leben spürbar verändern kann.

Zum Beispiel: jemanden um ein Date bitten. Was ist der Worst Case? Ein Nein. Vielleicht ein kurzer Moment der Unsicherheit. Ein angekratztes Ego für ein paar Stunden. Du überlebst. Dein Leben geht weiter.

Und der Best Case? Eine Beziehung. Nähe. Liebe. Gemeinsame Jahre. Ein komplett anderer Lebensweg.

Ein extrem ungleich verteiltes Verhältnis zwischen Risiko und Chance.

Dasselbe gilt für viele andere Bereiche: Ein Projekt starten. Eine Idee teilen. Einen Job wechseln. Geld in etwas investieren, das Du Dir leisten kannst, zu verlieren. Einen Gedanken laut aussprechen, den Du bisher nur für Dich behalten hast.

Wenn es schiefgeht, ist es unangenehm, aber nicht existenziell. Wenn es gutgeht, kann es Türen öffnen, von denen Du vorher nicht einmal wusstest, dass sie existieren.

Was wir dabei fast immer falsch einschätzen:
Wir überschätzen den Schmerz des Worst Case.
Und wir unterschätzen, wie sich unser Leben zum Guten verändern kann.

Mein Aha-Erlebnis der Woche

Kennst Du den berühmten Marshmallow-Test? Ein Kind sitzt in einem Raum. Vor ihm liegt ein Marshmallow. Die Aufgabe ist simpel: Iss den Marshmallow entweder sofort oder warte 15 Minuten, dann bekommst Du einen zweiten dazu.

Jahrzehntelang galt dieser Test als Paradebeispiel für Willenskraft. Die Botschaft war klar und bequem:

  • Wer warten kann, ist diszipliniert.
  • Wer diszipliniert ist, wird erfolgreich.
  • Wer den Marshmallow sofort isst, hat ein Selbstkontrollproblem.

Und dann kommt Jessica McCrory Calarco mit ihrem Artikel um die Ecke und zieht diesem einfachen Weltbild den Boden unter den Füßen weg. In neueren Studien zeigte sich:

Die Fähigkeit, auf den zweiten Marshmallow zu warten, hängt stark mit der sozialen und wirtschaftlichen Herkunft der Kinder zusammen.

Warum?

Weil wir jahrelang eine entscheidende Frage übersehen haben: Wie riskant fühlt sich Warten für die Kinder an?

Für wohlhabende Kinder ist die Sache meist klar: Es gibt immer genug zu essen. Versprechen werden stets eingehalten. Wenn jemand sagt „Du bekommst später mehr“, dann stimmt das. Warten ist für sie kein schwieriger Akt, sondern eine vernünftige, logische Entscheidung.

Für Kinder aus weniger privilegierten Verhältnissen sieht die Welt anders aus: Ein leerer Kühlschrank ist keine Theorie, sondern tägliche Erfahrung. Versprechen werden nicht immer eingehalten. In dieser Realität ist Warten kein Zeichen von Disziplin, sondern ein Risiko. Und das sofortige Essen des Marshmallows ist keine Schwäche, sondern eine rationale Entscheidung.

Plötzlich kippt die ganze Erzählung.

Was wir lange als mangelnde Willenskraft interpretiert haben, war oft schlicht Anpassung an die eigene Lebensrealität.

Wie oft beurteilen wir Kollegen, Mitarbeiter, Freunde oder auch uns selbst nach ihrem Verhalten, ohne die Rahmenbedingungen zu beachten? Wie schnell sagen wir: „Er müsste sich halt mehr zusammenreißen“ oder „Sie denkt zu kurzfristig“?

Vielleicht ist das, was wir sehen, gar kein Charakterfehler. Vielleicht ist es eine Strategie, die in einem bestimmten Umfeld sinnvoll war. Und vielleicht merkt diese Person nicht, dass diese Strategie heute nicht mehr sinnvoll ist.

Der Marshmallow-Test erzählt damit weniger über Willenskraft als über Vertrauen, Sicherheit und Planbarkeit. Über die Frage, ob sich Geduld für Dich lohnt oder ob sie Dich etwas kostet.


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Zwischen den Zeilen

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