Mein Lesetipp der Woche
Ende des 19. Jahrhunderts tauchten in amerikanischen Städten die ersten Autos auf. Und was passierte? Man verbot sie. Nicht, weil sie laut, gefährlich oder unpraktisch waren, sondern weil sie die Daseinsberechtigung der Pferde bedrohten. Die Washington Post zitierte damals offen die Sorge, dass das Pferd nicht weiter verdrängt werden dürfe.
Heute wirkt das absurd. Autos haben eine neue Welt eröffnet. Aber aus der damaligen Perspektive fühlte sich das Auto wie eine Bedrohung an. Für Jobs. Für Gewohnheiten. Für das, was man kannte.
Ein paar Jahrzehnte später, 1929, wiederholte sich das Muster. Kinos begannen, Musik vom Band abzuspielen, statt Live-Musiker zu beschäftigen. Die Musikergewerkschaft war empört. Der Tonfilm, ausgelöst durch den Film The Jazz Singer, wurde als Angriff auf echte Kunst und echte Arbeit gesehen. Auch hier ging es nicht primär um Qualität. Es ging um Verlustangst.
Und dann im Jahr 1946: Der Mitbegründer des Filmstudios 20th Century Fox war überzeugt, dass Fernsehen keine Zukunft habe. Niemand werde es lange aushalten, jeden Abend auf eine kleine Kiste zu starren. Sechs Monate, dann sei der Hype vorbei.
Wir wissen heute: Fernsehen wurde eines der prägendsten Medien des 20. Jahrhunderts. Und heute starren wir auf noch viel kleinere Bildschirme.
Drei Geschichten. Drei Epochen. Immer das gleiche Muster.
Neue Technologien werden anfangs fast nie als Chance gesehen. Sie werden als Störung wahrgenommen. Als etwas, das bedroht, was man kennt, beherrscht oder kontrolliert. Unser Gehirn ist darauf programmiert, Bestehendes zu schützen. Veränderung bedeutet Unsicherheit. Und Unsicherheit fühlt sich gefährlich an, selbst dann, wenn sie objektiv Chancen bietet.
Das Spannende ist: Die Geschichte wird im Nachhinein immer aus einer anderen Perspektive erzählt. Nicht als Geschichte der Angst, sondern als Geschichte des Fortschritts. Niemand erinnert sich an das Auto als „Pferdebedrohung“. Niemand denkt beim Fernsehen an eine gescheiterte Idee. Die Skepsis verschwindet rückblickend. Sie wirkt peinlich, kleinkariert oder naiv.
Und deshalb lohnt sich die Frage: Wo reagieren wir heute genauso?
Auch heute hören wir oft dieselben Argumente:
- „Das nimmt Jobs weg.“
- „Das ist unnatürlich.“
- „Das wird sich nicht durchsetzen.“
Vielleicht stimmt manches davon kurzfristig. Langfristig zeigt die Geschichte etwas anderes: Veränderung verschiebt Arbeit. Sie löscht sie selten einfach aus. Sie belohnt Anpassungsfähigkeit mehr als Status quo-Denken.
Die unbequemste Erkenntnis dabei ist:
Die größte Gefahr ist nicht die neue Technologie.
Die größte Gefahr ist, so zu tun, als würde sie wieder verschwinden.
Mich interessiert, wie Du das siehst.
Wo erlebst Du gerade Veränderung als Bedrohung – oder als Chance?
Wo stimmst Du mir zu? Und wo sagst Du: „Nein, dieses Mal ist es anders“?
Schreib mir, indem Du einfach auf diese E-Mail antwortest. Ich freue mich auf Deine Gedanken und Erfahrungen.