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Zwischen den Zeilen #222: Weshalb es Dir peinlich sein sollte, wer Du letztes Jahr warst

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Zwischen den Zeilen

Vieles von dem, worüber ich schreibe, findet „zwischen den Zeilen" statt; nicht nur in den offensichtlichen Aussagen, sondern im Nachdenken, Reflektieren und Weiterdenken. In Zitaten, die hängen bleiben. In Gesprächen, die nachklingen. In Gedanken, die auftauchen und im Kopf bleiben.Auch der Slogan bringt das auf den Punkt: „Neue Perspektiven für Menschen mit Zielen.“ Denn darum geht’s mir Woche für Woche: Impulse geben. Denkanstöße liefern. Mut machen, anders zu denken und neue Wege zu gehen.

Andreas Hobi

Neue Perspektiven
für Menschen mit Zielen


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In dieser Ausgabe:

  • 😬 Weshalb es Dir peinlich sein sollte, wer Du letztes Jahr warst
  • 💸 Weshalb das Universum keine Ratenzahlung anbietet
  • 🧠 Weshalb Du Dich nicht hinter wohlklingenden (pseudo-)psychologischen Begriffen verstecken solltest

Mein Lesetipp der Woche

„Wem es nicht peinlich ist, wer er letztes Jahr war, der lernt wahrscheinlich nicht genug.“

Diesen Satz fand ich im Artikel „It Doesn’t Matter How Many Hours You Put In – Are You Actually Getting Any Better?“ von Reece Robertson.

Wir verbringen viel Zeit damit, beschäftigt zu sein. Stunden sammeln, To-do-Listen abarbeiten, Kalender füllen. Das fühlt sich produktiv an. Aber produktiv sein heißt nicht automatisch, besser zu werden.

Wenn Du heute gleich arbeitest, gleich denkst und gleich entscheidest wie vor einem Jahr, dann hast Du vielleicht viel erledigt, aber wenig gelernt. Lernen zeigt sich nicht darin, dass alles reibungslos läuft. Sondern darin, dass Du zurückblickst und denkst: „So würde ich das heute nicht mehr machen.“

Diese kleine Portion Fremdscham ist kein Makel. Sie ist ein Hinweis darauf, dass Du Dich entwickelt hast. Dass Du Dinge verstanden hast, die Dir früher nicht klar waren. Dass Du Deine Routinen, Deine Annahmen oder Deine Prioritäten hinterfragt hast.

Mein Denkanstoß der Woche

Das Universum bietet keine Ratenzahlung an. Aber unser Alltag erzählt uns (leider) oft eine andere Geschichte:

Jetzt einkaufen, später zahlen? Kein Problem!
Ins Haus einziehen, obwohl die Hypothek noch Jahrzehnte läuft? Bei jeder Bank möglich.
Den Uni-Abschluss feiern, während der Studienkredit noch abbezahlt werden muss? Machen alle so.
Erst kaufen, später die Rechnung bezahlen? Warum auch nicht!

Ganz subtil lernen wir dabei: Der Nutzen kommt zuerst. Das Unangenehme später.

Und irgendwann übertragen wir dieses Prinzip auf unser Leben:

Wir erwarten Ergebnisse, bevor wir investiert haben.
Wir hoffen auf Motivation, bevor wir anfangen.
Wir wollen schnell reich werden, genauso wie dieser 19-jährige Typ auf Instagram mit seinen drei Ferraris und seinem „todsicheren“ Finanzmodell.
Wir wünschen uns Erfolg; am besten, ohne allzu viel Unbequemes in Kauf zu nehmen.

Doch das Leben folgt eigenen Regeln:

Ein fitter Körper entsteht nicht über Nacht.
Innere Ruhe lässt sich nicht auf Kredit bestellen.
Vertrauen in einer Beziehung wächst nicht von selbst.
Und finanzielle Freiheit fällt nicht vom Himmel.

All diese Dinge haben eines gemeinsam: Sie wollen zuerst Aufmerksamkeit. Zeit. Geduld. Einsatz.

Oft über Wochen. Monate. Manchmal Jahre. Ohne sofort sichtbare Belohnung.

Und das ist der Punkt, an dem es schwierig wird:

Du gibst Dir Mühe.
Du veränderst ein paar Dinge.
Du bleibst eine Weile dran.
Und dann fragst Du Dich: „Wo bleibt der Erfolg?“

Nichts fühlt sich anders an.
Nichts sieht spektakulär aus.
Kein großer Aha-Moment.

Also lässt Du es wieder bleiben.

Nicht, weil Du unfähig bist. Sondern weil Du müde wirst, zu investieren, ohne etwas zurückzubekommen.

Fortschritt ist am Anfang leise.
Manchmal so leise, dass Du ihn übersiehst.
Er kündigt sich nicht an. Er drängt sich nicht auf.
Er wächst im Hintergrund, während Du glaubst, auf der Stelle zu treten.

Und dann, irgendwann, ist da dieser kleine Moment:
Du reagierst gelassener als früher.
Du hast mehr Energie.
Ein Gespräch läuft besser.
Eine Entscheidung fällt Dir leichter.

Nichts Weltbewegendes. Aber genug, um zu merken: Da passiert etwas.

Ab da verändert sich alles.
Nicht plötzlich. Aber spürbar.
Was vorher anstrengend war, bekommt Richtung.
Was sich unfair anfühlte, ergibt langsam Sinn.

Das Universum bietet vielleicht keine „Jetzt kaufen, später bezahlen“-Finanzierung an. Aber es ist geduldig. Und es belohnt diejenigen, die bereit sind, eine Weile zu geben, ohne sofort zu nehmen.

Mein Aha-Erlebnis der Woche

Ich habe eine Aufgabe für Dich: Multipliziere 8 388 628 im Kopf mit 2.

Nicht so einfach, oder? Das Verrückte ist:

Es gibt ein Kind, das siebenstellige Zahlen innerhalb weniger Sekunden 24-mal hintereinander korrekt verdoppeln kann.
Ein anderes Kind kann Dir jederzeit die exakte Uhrzeit nennen, ohne auf die Uhr zu schauen.
Und ein weiteres Kind zeichnet mit sechs Jahren Bilder, die so lebensecht sind, dass sie in einer Galerie an der New Yorker Madison Avenue ausgestellt wurden.

Klingt nach Hochbegabung. Nach Genies. Nach Menschen mit einem extrem hohen IQ.

Aber: John Medina beschreibt in seinem Buch „Gehirn und Erfolg“, dass keines dieser Kinder einen IQ über 50 hat. Und dass man keinem von ihnen beibringen kann, sich die Schuhe zu binden. Keines dieser Kinder kann seinen Alltag selbstständig meistern.

Das ist keine inspirierende Diversity-Story. Und auch kein Plädoyer für Neurodiversität.

Das ist eine unbequeme Realität.

Sie zeigt: Unser Gehirn kann in einzelnen Bereichen extrem leistungsfähig sein und in anderen dramatisch schwach. Nicht „anders begabt“. Nicht „herausgefordert“.

Sondern schlicht: schwach.

Das widerspricht der beliebten Vorstellung, Intelligenz sei etwas Ganzheitliches. Eine Art Persönlichkeitsmerkmal. Oder eine Ressource, die man mit dem richtigen Mindset freilegen kann. Diese Vorstellung ist nicht nur falsch, sie ist bequem. Denn sie erlaubt zwei gesellschaftlich sehr akzeptierte Reaktionen:
Entweder die Selbstabwertung („Ich bin halt nicht intelligent“).
Oder die Selbstentlastung („Ich bin halt auf dem Autismus-Spektrum“).

Beides klingt zeitgemäß.
Beides klingt verständnisvoll.

Beides verhindert Veränderung.

Gerade im Alltag und besonders im Arbeitsleben zeigt sich das deutlich. Viele Menschen scheitern nicht an mangelnder Begabung, sondern an konkreten Defiziten: fehlender Struktur, schlechter Priorisierung, mangelndem Fokus, schwacher Entscheidungsfähigkeit, fehlender Motivation.

Heute nennt man das gern:
Überforderung.
Reizüberflutung.
Mentale Belastung.
Oder emotionale Dysregulation.

Das mag alles zutreffen. Aber es löst kein einziges Problem.

Denn diese Begriffe entschuldigen viel und verlangen wenig.

Dein Gehirn ist, wie es ist. Das darfst und musst Du akzeptieren. Aber Selbstakzeptanz ist kein Ersatz für Selbstverantwortung.

Wenn Du weißt, dass Du Dir Dinge schlecht merken kannst, reicht Selbstfürsorge nicht. Dann brauchst Du Systeme.
Wenn Du weißt, dass Du Dich leicht verzettelst, reicht Entschuldigen nicht. Dann brauchst Du klare Prioritäten.
Und wenn Du weißt, dass Du Aufgaben regelmäßig falsch einschätzt, dann ist das eine Schwäche, an der Du arbeiten musst.

Nichts tun und sich auf irgendwelchen (pseudo-)psychologischen Bezeichnungen auszuruhen, ist keine Option. Auch Deine Diagnose (ob Asperger oder was auch immer) zu Deiner Identität zu machen, hinter der Du Dich ein Leben lang verstecken kannst, ist keine Option.

Nicht jedes Gehirn ist für alles gemacht. Aber jeder trägt Verantwortung dafür, seine eigenen Grenzen ernst zu nehmen, daran zu arbeiten und sich nicht hinter wohlklingenden Begriffen zu verstecken.

Wie das im konkreten Fall aussehen kann, zeigt folgendes Paar, deren Auftritt ich gestern Abend im Winterzirkus „Salto“ aufs Höchste bewunderte. Statt sich hinter ihrer körperlichen Einschränkung zu verstecken, zeigt dieses Paar, dass sie sich durch nichts bremsen lassen:

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Zwischen den Zeilen

Vieles von dem, worüber ich schreibe, findet „zwischen den Zeilen" statt; nicht nur in den offensichtlichen Aussagen, sondern im Nachdenken, Reflektieren und Weiterdenken. In Zitaten, die hängen bleiben. In Gesprächen, die nachklingen. In Gedanken, die auftauchen und im Kopf bleiben.Auch der Slogan bringt das auf den Punkt: „Neue Perspektiven für Menschen mit Zielen.“ Denn darum geht’s mir Woche für Woche: Impulse geben. Denkanstöße liefern. Mut machen, anders zu denken und neue Wege zu gehen.